Mein Tag: Shan (12) arbeitet in einer Kohlemine (Pakistan)

Shan und seine zwei Freunde beladen im Stollen einen Esel mit Kohle. (Quelle: Christian Herrmanny)Hallo, ich bin Shan. Ich bin zwölf Jahre alt und lebe in Dalwal, einem Dorf im Norden von Pakistan. Seit zwei Jahren arbeite ich mit meinem Vater in einer Kohlemine.

Der Eingang zur Mine liegt in der Nähe unseres Hauses. Meine Schwestern gehen zur Schule – das ist nicht selbstverständlich bei uns, Mädchen müssen normalerweise im Haushalt helfen. Aber meine Eltern finden es wichtig, dass die beiden etwas lernen. Wollt ihr wissen, wie mein Tag aussieht?

Das kleine Haus von Shans Familie. (Quelle: Christian Herrmanny)

5 Uhr
Ich stehe auf und ziehe mich an. Zuerst muss ich für meine Familie Wasser vom Brunnen holen, da es in unsrem Haus keine Wasserleitung gibt. Wir wohnen übrigens alle zusammen hier – meine Eltern, meine beiden Schwestern und die vierköpfige Familie meines Onkels. Unser Haus hat nur ein Zimmer.
Meine Mutter macht uns zum Frühstück Naan-Brot und Tee mit Milch. Nach dem Frühstück gehe ich mit meinem Vater hinüber zur Mine. Auf dem kurzen Weg dorthin hab‘ ich immer ein ungutes Gefühl – auch nach zwei Jahren noch. Die Arbeit in der Mine ist sehr gefährlich. Oft passieren schlimme Unfälle, manchmal sterben dabei Menschen. Ja, ich habe Angst, in der Mine zu arbeiten, und ich frage mich jeden Morgen, ob ich meine Mutter und meine Schwestern nachmittags wiedersehen werde.

Shan und sein Freund beladen die Säcke des Esels im Stollen. (Quelle: Christian Herrmanny)6 Uhr
Vor dem Eingang zur Mine treffe ich meine Freunde Musadak und Musha. Zusammen mit acht anderen Kindern arbeiten wir als „Tapali“, als Eseltreiber. Wir müssen mit Eseln etwa 1.000 Meter tief in den engen und dunklen Schacht zu der Stelle vordringen, an der mein Vater und andere Männer die Kohle aus dem Berg schlagen. Unsere Aufgabe ist es, die Kohle in Plastiksäcken, die über die Rücken der Esel gehängt werden, nach draußen zu transportieren. Die vielen dunklen Stollen sind wie ein Labyrinth. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht verlaufen. Draußen wird die Kohle auf Lastwagen verladen. Die Arbeit ist sehr anstrengend. Bis zu zwölf Mal müssen meine Freunde und ich mit den Eseln in den Berg. Die Luft ist unglaublich staubig, und es ist furchtbar warm. Die Esel sind ziemlich störrisch und müssen ständig angetrieben werden.

Shan und sein Freund mit einem Esel vor dem Eingang zum Stollen. (Quelle: Christian Herrmanny)

Ich genieße jede Sekunde an der frischen Luft, wenn ich aus der Mine komme. Der Staub in der Mine ist schlecht für die Lunge. Viele Arbeiter werden deshalb krank. Ich bin froh, dass ich noch gesund bin. Für die acht Stunden Schufterei am Tag bekomme ich pro Esel 200 Rupien (ca. 1,70 Euro). Manchmal führe ich zwei Esel in die Mine, manchmal drei.

14 Uhr
Zum Mittagessen gehe ich kurz nach Hause. Zunächst wasche ich mir den Staub von Gesicht und Armen. Danach essen wir jeden Mittag Reis mit Gemüse. Nach dem Essen treffe ich meine beiden Freunde Musadak und Musha, und wir gehen ins Spaß- und Lernzentrum in der Nähe der Mine.

Shan und seine Freunde stehen vor dem Spaß- und Lernzentrum. (Quelle: Christian Herrmanny)14:30 Uhr
Ich finde es toll, mit anderen Kindern im Spaß- und Lern-Zentrum zu spielen, am liebsten mag ich Kricket. Aber wir lernen auch eine Menge – zum Beispiel lesen und schreiben. Ich kenne mittlerweile das Alphabet und kann auch schon meinen Namen schreiben! Das Lernen ist cool, auch wenn es mir nicht leicht fällt, weil ich nach der Arbeit total kaputt bin.

Shan schreibt im Spaß- und Lernzentrum das Aphabet an die Tafel. (Quelle: Christian Herrmanny)Herr Khan, unser Lehrer, spricht auch mit uns über die Arbeit in der Mine und wie wir gesund bleiben. Wir lernen zum Beispiel, wie wir uns besser vor dem Staub oder gegen Krankheiten wie Malaria schützen können. Er hat uns auch gesagt, dass wir als Kinder Rechte haben – etwa darauf, dass wir zur Schule gehen dürfen, dass Erwachsene unsere Meinung anhören müssen und dass sie uns nicht schlagen dürfen. Das hat uns vorher noch nie jemand gesagt.

17:30 Uhr
Die Zeit im Zentrum ist viel zu schnell vergangen. Ich muss nach Hause, Wasser vom Brunnen holen, unsere Kühe, Ziegen und Hühner und die Esel vom Minenbesitzer füttern.

Shan isst Linsen aus einer kleinen Schüssel. (Quelle: Christian Herrmanny)18 Uhr
Hab‘ ich einen Hunger! Meine Mutter kocht abends Linsen, dazu gibt es wieder Naan-Brot. Obwohl ich so einen Kohldampf habe, esse ich ganz langsam. Bei so vielen Leuten in der Familie bekommt jeder nur ein bisschen zu essen. Deshalb nehme ich immer nur kleine Bissen, und dann kaue ich ganz lange darauf herum, damit ich möglichst lange etwas davon habe.

Shan liegt im Bett. (Quelle: Christian Herrmanny)

19 Uhr
Ab ins Bett! Ich bin total erledigt. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag. Aber dann ist Wochenende, und da hat die ganze Familie frei. Wir freuen uns schon alle darauf. Rat bicher! (Gute Nacht auf Urdu)

Shan 2016 in der Schule. (Quelle: Christian Herrmanny)

Heute schuftet Shan nicht mehr in der Mine – dank der Kindernothilfe-Action!Kidz

Shan besucht mittlerweile eine staatliche Schule. Er geht in die neunte Klasse und kommt nur noch ab und zu in das Spaß-und-Lernzentrum, in dem wir ihn damals kennengelernt haben. Nach der Schule macht Shan eine Ausbildung als Schneider. Damit kann er später mehr Geld verdienen als in der Mine. Wenn er einmal Kinder hat, müssen sie dann nicht mehr arbeiten, damit die Familie genügend Geld hat. Sein Freund Musha, den ihr auf den Fotos sehen könnt, will Elektriker werden.

Dass Shan und seine Freunde nicht mehr schuften müssen – dafür haben übrigens die Kindernothilfe Action!Kidz 2015/2016  in Deutschland gesorgt. Sie haben sich für die Kinderarbeiter in Pakistan engagiert und Geld gesammelt. Was sie hier geschafft haben, ist ein großer Erfolg!

RASTI und die Kindernothilfe bleiben weiterhin an der Seite der arbeitenden Kinder in Chakwal, damit kein Kind mehr ausgebeutet wird.

Robinson-Figur. (Quelle: Peter Laux)