Projektbeispiel Philippinen: Ein Projekt für Straßenkinder

Die Straßenkinder führen zu Weihnachten ein selbstgeschriebenes Theaterstück auf. (Quelle: Christian Nusch)Philippinen: Patricio (12, 2. v. l.) hat jahrelang auf der Straße gelebt. Im Stairway-Projekt, das die Kindernothilfe unterstützt, ist er endlich in Sicherheit.

Text: Katharina Nickoleit, freie Journalistin

Zusammengekauert liegt Patricio an der Straßenecke und duckt sich vor den Schlägen des Polizisten. Doch Patricio grinst, denn das hier ist nur ein Spiel. Eine Weihnachtsaufführung der Jungen aus dem Stairway-Projekt. „Letztes Jahr Weihnachten hab‘ ich noch auf der Straße gelebt“, sagt Patricio und erschauert bei dem Gedanken. „Ich träumte davon, mit meinen Eltern Weihnachten zu feiern. Aber es gab kein Zuhause und keine Familie.“

Ein Leben wie im Kindergefängnis

Sozialarbeiterin Donna mit Patricio. (Quelle: Christian Nusch)Patricios Eltern hatten sich bei einem Mann Geld geliehen und konnten es nicht zurückzahlen. Also nahmen sie Patricio aus der Schule: Statt zu lernen sollte er für den Geldverleiher arbeiten. Patricio musste Ziegen hüten, und wenn eines der Tiere entwischte, wurde er geschlagen. Irgendwann floh er in die Hauptstadt Manila. Dort lebte er auf der Straße. Eines Nachts fing ihn die Polizei ein und steckte ihn in ein Kinderheim. „Das sind eigentlich Kindergefängnisse“, sagt Donna, Sozialarbeiterin bei Stairway. „Die Kinder werden in Zellen gesperrt, sie bekommen kaum etwas zu essen, und die Älteren misshandeln die Jüngeren.“

Patricio wusste nicht, wann er Geburtstag hat

Dass Patricio Schlimmes erlebt hat, zeigen die Narben auf seinem Rücken und den Armen. Seit sechs Monaten ist er jetzt bei Stairway. Als er ankam, konnte er weder seinen Namen schreiben, noch kannte er sein Geburtsdatum. „Alles, was es bei uns gibt – saubere Anziehsachen, Spielzeug, überhaupt zu spielen –, all das war neu für ihn“, erzählt Donna. Es hat Monate gedauert, bis Patricio anfing, Vertrauen zu den Mitarbeitern von Stairway zu fassen. Jetzt bekommt er Schulunterricht, und in einer Werkstatt und einem Garten lernt er Fertigkeiten, mit denen er später Geld verdienen kann.

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Das Schönste ist der Applaus

Bei Stairway hat Patricio zum ersten Mal seinen Geburtstag gefeiert – er durfte sich einen Tag aussuchen –, und nun wird er zum ersten Mal ein richtiges Weihnachtsfest erleben. Mit Gottesdienst, Weihnachtsbaum, Festessen und Santa Claus, der Geschenke bringt. In einer Gemeinschaft, in der er geliebt und geschätzt wird. Wie jedes Jahr führen die Jungen ihr Theaterstück auf. Es wurde von ehemaligen Straßenkindern geschrieben, die darin ihre Erfahrungen verarbeitet haben. Wochenlang haben die Jungen an der Dekoration gearbeitet und geprobt. „Das Schönste sind die Weihnachtslieder“, schwärmt Patricio. „Nein, halt, das Schönste ist der Applaus. Ich bin so stolz und glücklich, wenn ich mich verbeuge und sehe, dass es den Menschen gefallen hat.“

Im Stairway-Projekt können die Straßenkinder ganz viele künstlerische Dinge ausprobieren. (Quelle: Christian Nusch)

Das Stairway-Projekt

Ein Zentrum für Straßenjungen auf der Insel Mindoro: Mit Spiel, Sport, Musik, Malen und Theaterspielen verarbeiten die Jungen ihre schlimmen Erlebnisse von der Straße und entdecken ihre Talente. Sie gehen zur Schule und bekommen Unterstützung,
um später mit ihrer Familie oder auch allein überleben zu können, ohne wieder auf der Straße zu landen. Die Kindernothilfe in Duisburg unterstützt das Projekt seit 2002.

Robinson-Figur. (Quelle: Peter Laux)