Libanon: Shireen (13) weiß, wie Bomben klingen

Shireen wird traurig, wenn sie Bilder aus der Heimat sieht. (Quelle: Jakob Studnar)

Wir haben Geschichten von Mädchen und Jungen gesammelt, die mit ihren Familien aus Syrien in den Libanon geflüchtet sind.

In einem Projekt des Kindernothilfe-Partners Amurt finden sie Hilfe. Die WAZ-Reporterin Annika Fischer hat sie besucht.

Shireen weiß genau, wie Bomben klingen. Syrische Kinder wissen sowas. „Ssssssss“, macht Shireen; der lange, scharfe Laut fliegt durch den kalten Raum. Wenn die Bomben kamen daheim in Al Qunaitra, hörten die Vögel auf zu singen, so erzählt die 13-Jährige das, und sogar die Hühner haben sich versteckt. Shireen muss ein bisschen lachen, als sie sich erinnert: Wie es rannte, das Federvieh!

Sonst aber war nichts mehr zum Lachen, dort, wo Shireen herkommt. Shireen verließ diesen Ort am Tag, nachdem ihre Tante starb. Die Explosion geschah in dem Zimmer, in dem das Mädchen gerade noch gewesen war. Sie rannten fort, Mama mit ihrem Asthma und dem Baby im Bauch, Papa und die sieben Schwestern, sie flohen aus ihrer Heimat in den Libanon.

Shireen hat wieder Kriegsbilder gesehen

Dort gibt es einen Ort, den sie Kinderschutzzentrum nennen. Hier betreut die Kindernothilfe 150 Flüchtlingskinder, fängt sie auf. „Al Mahaba“ heißt die alte Schule, in der die Kinder einfach tun dürfen, was Kinder tun – spielen, toben, tanzen. „Al Mahaba“ bedeutet „Die Liebe“, und nur so geht es, sagt die Mitarbeiterin Fayrousa Nasr. „Liebe, Liebe, Liebe“, ist ihr Pflaster für die wunden Seelen.

An diesem Morgen hüpfen die Kinder im Hof herum. Sie machen „Miau“ wie die Katzen und „Wau“ wie die Hunde. Am Rande aber sitzen immer zwei, drei, die traurig daran denken, was Bomben machen. Ssssssss. Auch Shireen hat eben noch so gesessen, schwere Tränen in den dunklen Augen. Am Vortag hat sie wieder Bilder im Fernsehen gesehen aus Syrien. Kriegsbilder. Sie hört wieder die Schreie, fühlt die Hitze des Feuers und die Angst im Bauch. Fayrousa nimmt Shireen in den Arm und atmet mit ihr, ein, aus, bis sich die weiß verkrampften Finger lösen.

Die 13-Jährige sieht so viel jünger aus; beinahe alle Kinder hier wirken klein für ihr Alter, dabei sind sie in ihrem Inneren schon so reif. „Sie haben ihre Kindheit verloren“, sagt Karl Andersson. Er hat das Projekt der Kindernothilfe aufgebaut.

„Hört auf zu töten“

Er hat auch dieses Schulgebäude angemietet und aus den ungeheizten Räumen einen warmherzigen Ort gemacht. In einem hängen die Bilder, die die Kinder malen. Shireen hat sich selbst gezeichnet, sie hält sich die Ohren zu und weint. „Stop Killing“, hat sie darüber geschrieben, „hört auf zu töten“.

 

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